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Interview mit Thomas Dellenbusch - Teil 2/3

07:00

Hier kommt der zweite Teil meines tollen Interviews mit Thomas Dellenbusch

Krimilesung Mönchengladbach

Lesesofa: Mit welchem deiner Protagonisten würdest du gerne einen Tag verbringen?

TD: Oh, das ist eine super spannende Frage, mit der ich nicht gerechnet habe. Ich bin gerade mal alle Protagonisten durchgegangen und war kurz geneigt, Sebastian Gruhn, den Weichensteller, zu nennen, weil der in der Zeit reisen kann. Aber da nur er das kann, hätte ich nichts davon. Also steht jemand anderes ganz oben auf meiner Einen-Tag-Verbring-Liste: Yvonne aus „Verstecktes Herz“. Sie habe ich so schön und begehrenswert gemacht, dass an dieser Wahl für mich als Mann kein Weg vorbei geht. Astrid, darf ich Deinen Lesern hier an dieser Stelle die entsprechende Passage aus dem Buch zitieren, damit sie verstehen, warum ich mich für Yvonne geradezu entscheiden muss?

Lesesofa: Ja, bitte mach das.

TD: Das Schlimmste (oder Aufregendste, je nach Gusto des Betrachters) war jedoch das, was sich eben jenem Betrachter oberhalb der Gürtellinie darbot.
Eine gertenschlanke Taille erweiterte sich zu einer beträchtlichen und ebenso festen wie ausladenden Oberweite, deren Fähigkeit, die Blicke auf sich zu ziehen, nur noch von der jugendlichen Schönheit eines Gesichtes übertroffen wurde, wie es die Jungen in Seilersfeld noch nie und die Alten nur im Kino jemals gesehen hatten.
Tief dunkelbraune und große Augen bildeten zusammen mit einer zarten Nase, einer reinen und leicht gebräunten Haut, erhabenen Wangenknochen und vollen roten Lippen ein engelsgleiches Antlitz, das umspült wurde von einer offen getragenen Mähne vollen schwarzen Haares, welches sich in natürlichen Wellen über Schultern und Rücken ergoss.
(...)
Für Berni Kranz war diese fremde Frau ein Zauberwesen, eine Göttin. Sie hatte etwas so Unwirkliches, etwas so über allen Dingen der Welt Schwebendes, dass er einmal stocksteif an der Haltestelle stehen blieb, als er mittags dem Schulbus entstiegen und sie auf dem gleichen Gehweg auf ihn hatte zukommen sehen. Mit jedem ihrer sanften, fast tänzelnden Schritte warfen ihre hin und her schwingenden Hüften kleine Wellen in die flirrenden Lichtpartikel der schwülen Juniluft, die sich ausbreiteten und um ihren Körper herum eine Aura schufen, in der sich die Zeit abzubremsen schien.
Selbst die Spatzen, die von Baumkrone zu Baumkrone flogen, schienen in ihrer Nähe wie Bussarde in der Luft verharren zu können, als bemühten auch sie sich, einen ungestörten Blick zu tanken von einem Zauber, wie ihn die Natur nur in ganz besonderen Momenten hervorzubringen vermochte. Als sie näher kam, konnte Berni in ihrem Ausschnitt den Ansatz ihres Busens sehen, in dem ebenfalls bei jedem ihrer Schritte kleine Wellen waberten. So wie bei Götterspeise, wenn man an den Tisch stieß. Und als sie ihn und die Haltestelle erreichte, fiel aus ihren großen warmen Augen ein wohlwollender Blick und von ihren verheißungsvollen Lippen ein sanftes Lächeln auf ihn herab. Dann war sie auch schon an ihm vorbei und ließ, während sie sich entfernte, einen Hauch von Lavendel zurück. An diesem Abend konnte er erst spät einschlafen.

Lesesofa: Das Buch ist super, und Du hast Yvonne toll beschrieben. Das bringt mich zu meiner nächsten Frage. Wenn eines Deiner Bücher verfilmt würde, wer sollte die Hauptrollen spielen?

TD: Nachdem ich 2010 die erste Geschichte „Das Testament“ fertig hatte und im Freundeskreis vorgelesen habe, bekam ich unisono das Feedback, es würde sich um ein tolles Fernsehspiel handeln. Das Lustige oder Interessante daran war, dass alle beim Zuhören diesen Film schon im Kopf gesehen hatten, und zwar alle mit der gleichen Schauspielerin in der Rolle der 62jährigen Martha Vadeva. Es war bei allen Iris Berben, und ja, die wäre perfekt für diese Rolle.

Lesesofa: Wen würdest du für Yvonne nehmen?

TD: Puh... ich denke, eine 30jährige Claire Forlani oder Monica Belluci. Eine aktuell 30jährige diesen Typs fällt mir spontan nicht ein.

Lesesofa: Monica Belluci ist toll.  Die schaut auch jetzt noch mega aus, finde ich. Wie schaut es bei deinen Protagonisten von "Chase" aus?

TD: Das wäre etwas komplizierter, weil es so unterschiedliche Charaktere sind. Aber rein äußerlich könnte ich mir Mido Hamada als Rique Allmers vorstellen, Friederike Becht als Katja Krömer (wenn sie denn eine Rolle annähme, die keinen Text hat), Gordon Liu (auf „alt“ getrimmt) als Dr. Liang, Chrissie Chow als Chen Lu und natürlich, wie sollte es auch anders sein, Mario Adorf als Lorenzo Marone.

Lesesofa: Sehr gute Wahl. Wie viel von dir steckt in deinen Protagonisten?

TD: Ich habe eine ausgeprägte melancholische Seite. Insofern findet sich in einigen Geschichten und Protagonisten diese Seite wieder. Eine Art unschuldiges Scheitern im Alltag. Es ist eher so, dass sich meine Gefühle in die Geschichten und ihre Protagonisten schleichen. Trotzdem sind alle reine Fiktion und unterscheiden sich im konkreten Einzelfall zu sehr von mir, als dass man von Thomas Dellenbuschs mit anderen Namen sprechen könnte. Eine Ausnahme bildet nur „Liebe ist kein Gefühl“. In dieser Geschichte, sowie in mehreren Protagonisten darin, steckt viel selbst Erlebtes und Empfundenes. Wenn, dann ist dieses Buch das autobiographischste. Alle anderen sind einfach nur ausgedachte Geschichten, deren Protagonisten eben so gezeichnet wurden, damit sich die jeweilige Geschichte so entwickelt wie sie soll.

Lesesofa: "Liebe ist kein Gefühl" ist mein erstes Buch von dir gewesen, durch das du mich für deine Geschichten sofort begeistert hast.
Wie lange brauchst du für eine Geschichten - vom ersten Satz bis zur Endfassung?

TD: Das Schreiben geht eigentlich recht flott, weil ich immer zuerst den Plot fertig stelle. Es gibt ja Autoren, die entwickeln ihre Geschichte erst beim Schreiben. Das kann ich nicht. Dabei verzettel ich mich. Ich muss die Geschichte, die Figuren, die Rätsel, die Lösungen und die Wendungen und vor allem das Ende kennen, bevor ich schreibe. Mit anderen Worten: Ich drehe meine kleinen Spielfilme erst, wenn das Drehbuch steht. Es kann mal passieren, dass ich eine Idee in der Mitte verändere oder verfeinere, aber grundsätzlich muss das Drehbuch komplett stehen, damit ich mit dem Dreh beginnen kann. Für die erste Fassung brauche ich dann etwa einen Monat, wenn ich jeden Tag ca. drei Stunden schreibe. Das Entwickeln des Plots dauert da erheblich länger, weshalb nicht selten sechs oder mehr Monate zwischen zwei Geschichten vergehen. Wenn man aber, wie ich, den Anspruch an sich selber hat, dass am Ende was Besonderes dabei herauskommen soll, ist diese Zeit wichtig. Ich will einfach keine „Masse“ produzieren, davon gibt es schon genug. Ich will, dass sich meine Leser immer darauf verlassen können, etwas Besonderes zu bekommen. Es soll ja Autoren geben, die immer wieder die gleiche Mauerblümchen-trifft-Prinz-Geschichte schreiben und bei jedem neuen Buch nur die Namen und Orte austauschen. Deren Leser wollen sich darauf verlassen können, dass sie immer das Gleiche bekommen. Ich möchte damit punkten, dass sich meine Leser darauf verlassen können, immer etwas anderes, etwas Unerwartetes zu bekommen. Wirtschaftlich ist das die schlechtere Strategie, weil sich permanente Adaptionen bewährter Geschichten viel viel besser verkaufen, trotzdem will ich es so und nicht anders. Hört sich vielleicht eingebildet an, aber da behält in mir der Künstler gegenüber dem Verkäufer die Oberhand.

Lesesofa: Ich finde diese Einstellung super und kann dir bestätigen, dass du dies mit deinen Geschichten schaffst. Was mich auch begeistert und fasziniert, ist die Länge deiner Geschichten, und dass es diese auch als Hörbücher gibt.  Wie bist du auf die Idee gekommen, deine Geschichten als Hörbücher heraus zu bringen?

TD: Da ich sie unter anderem als „Vorlesegeschichten“ positioniere, wäre es doch sehr komisch,
wenn ich sie nicht auch in einer vorgelesenen Fassung anböte, oder? Das liegt doch nahe. Ich habe das Glück, über eine sehr angenehme Vorlesestimme zu verfügen, also kann ich mir bei der Produktion das Honorar für einen Sprecher sparen. Aber die Produktion erfolgt dennoch in einem professionellen Tonstudio mit hochwertiger Technik. Dadurch, dass es alle Geschichten auch als Hörbuch gibt, können sie auch wirklich so eingesetzt werden, wie sie angepriesen werden, also auch beim Autofahren, wenn man zwei Stunden Fahrt spannend überbrücken möchte.

Lesesofa: Da gebe ich dir Recht, deine Stimme ist toll. Wie lange braucht ihr für ein Hörbuch?

TD: Der Regisseur und ich brauchen ungefähr einen Tag vorab, um passende Geräusche herauszusuchen und den Soundtrack festzulegen. Am Aufnahmetag selber ist die Geschichte, je nach Länge, in vier bis sechs Stunden eingesprochen. Der Schnitt und die Nachbearbeitung dauert dann nochmal ungefähr zwei bis drei Arbeitstage. Alles in allem ist es schon ein wenig Aufwand, aber immer noch überschaubar.

Lesesofa: Werden alle Bücher im Verlag auch als Hörbücher heraus gebracht?

TD: Ja.

Lesesofa: Werden alle Hörbücher von Dir eingesprochen?

TD: Der KopfKino-Verlag ist ein sehr kleiner Verlag mit einer speziellen Nischenidee. Da muss ich auch auf die Kosten achten. Wie gesagt habe ich das Glück, über eine geeignete Stimme zu verfügen, insofern ja. Eine Ausnahme bildet bisher „Distant Shore“ von Tanja Bern. In diesem Hörbuch spricht Tanja selbst alle weiblichen Stimmen. Das Ergebnis ist fast schon ein Hörspiel. Ich denke, Tanja und ich werden das auch bei den beiden Fortsetzungen so machen. Das hat nicht nur wunderbar geklappt, es wurde auch ein tolles Ergebnis.
mit Tanja Bern bei Hörbuchproduktion

Lesesofa: Das muss ich mir mal kaufen. Habe bis jetzt noch kein Hörbuch gekauft, aber in die Hörproben von deinen Büchern hinein gehört.

Eine klassische Fangfrage: bist du der eBook- oder Print-Fan?

TD: Beides. Ich gehöre natürlich einer klassischen Print-Generation an. Und es geht auch nichts über die Haptik eines guten Buches. Trotzdem bin ich begeistert von eBooks, weil sie so unglaublich praktisch sind, sowohl in der Handhabung als auch in der Beschaffung. Gerade letzteres finde ich als Leser total faszinierend. Eine Riesen-Erfindung. Früher war es doch so: Du sitzt in einem Café und genießt den Tag. Plötzlich ruft Dich Deine Freundin an. Sie erzählt Dir von einem fantastischen Buch, das Du unbedingt lesen sollst (z.B. eins von Thomas Dellenbusch..lach...). Dann watschelst Du in die Buchhandlung Deiner Stadt. Die haben es nicht, können es aber bis morgen bestellen. Dann schläfst Du eine Nacht drüber und watschelst am nächsten Tag wieder hin, um es abzuholen. Zu Hause kannst Du dann lesen. Heute ist es so: Nach dem Anruf Deiner Freundin machst Du zwei Klicks auf dem Handy und fängst an zu lesen, bevor Dein Kaffee kälter geworden ist. Das ist doch der helle Wahnsinn!

Lesesofa: Ja, ebooks sind zum Lesen genial und platzsparend. Aber ein tolles Buch will ich dann auch noch im Buchregal und am besten noch mit Widmung.

So übermorgen geht es dann mit dem dritten und letzten Teil dieses Interviews weiter. 

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