Interview mit Thomas Dellenbusch - Teil 1/3
07:00Zu den Autoren, die ich immer wieder gerne lese, gehört auf jeden Fall Thomas Dellenbusch. Der 51jährige Rheinländer schreibt ausschließlich Novellen, also Erzählungen von durchschnittlich 80 Seiten, die es immer wieder in sich haben. Keine wie die andere, alle sehr bildhaft und gefühlvoll geschrieben und immer wieder mit intelligenten Wendungen und Überraschungen. Kleine Buchperlen z.B. für eine Bahnfahrt oder einfach für den außergewöhnlichen Lesegenuss zwischendurch.
Neben seiner Eigenschaft als Autor verlegt Thomas
Dellenbusch unter dem Label „Mein KopfKino“ aber auch Novellen anderer
Autor/innen. Sie sind nicht nur als Kindle eBook erhältlich, sondern auch als
Hörbuch, so dass man wunderbar die Augen schließen und sie sich vorlesen lassen
kann. Das finde ich, ist schon ein besonderes Angebot, das sich für meinen
Geschmack auf sehr interessante Weise aus dem Bücherwald heraushebt.
Als ich Thomas um dieses Interview gebeten habe, war er
sofort begeistert und bereit. Darüber freue ich mich sehr. Nun haben wir uns
gemeinsam etwas Besonderes ausgedacht!! Normalerweise laufen Interviews auf
Blogs wie diesem stets so ab, dass der oder die Blogger/in die Fragen schickt
und der oder die Autor/in ergänzt sie mit den Antworten. Auf diese Weise
entwickelt sich jedoch kein „echtes“ Gespräch, denn in einem solchen könnte man
ja mal auf eine Antwort etwas tiefer eingehen oder genauer bohren. Deswegen
haben Thomas und ich es diesmal anders gemacht. Ich habe ihm nur die erste
Frage geschickt, auf die er antwortete. Erst daraus ergab sich die zweite Frage
und so weiter. Was das im Laufe vieler Tage ergeben hat, könnt Ihr nun hier
verfolgen. Viel Vergnügen mit einem Interview, das sich tatsächlich erst so in
seinem Verlauf entwickelt hat. Da dieses Interview auf diese Weise sehr lang geworden ist, habe ich mich entschieden es euch in drei Teilen
Lesesofa: Wie bist Du zum Schreiben gekommen?
TD: Von jenen Novellen, von denen Du eingangs sprachst,
schrieb ich die erste im Jahr 2010. Damals wurde meine (Ex-)Schwägerin 40 Jahre
alt, und mir ging es damals finanziell nicht so gut. Sie sagte zu mir: „Von Dir
wünsche ich mir zum Geburtstag nichts, was Dich Geld kosten könnte. Stattdessen
schreibe doch für mich eine Geschichte. Und da ich Ostern Geburtstag habe, soll
es eine Ostergeschichte sein.“ Ich schrieb für sie „Das Testament“, eine Kriminal-Romanze im Rom der
heutigen Zeit. Aber in ihr verstecken sich alle
wesentlichen Bestandteile der Ostergeschichte. Seitdem schreibe ich solche
Novellen, die fast alle einen besonderen konzeptionellen Kniff haben. Das
Schreiben an sich begleitet mich jedoch schon mein ganzes Leben. Mit 9 Jahren
habe ich mir zu Weihnachten meine erste Schreibmaschine gewünscht (und
bekommen). Als Kriminalbeamter war ich für das Texten von aufklärenden
Broschüren oder für Minister-Reden zuständig, und nach der Zeit bei der Polizei
habe ich meine Brötchen als Werbetexter verdient.
Lesesofa: Warum bist du von der Polizei weg und wann?
TD: Ich habe im Sommer 1999, nach fast zwanzigjähriger
Zugehörigkeit, freiwillig gekündigt, um mich mit einer Werbeagentur selbständig
zu machen. Meine Aufgabe im Landeskriminalamt NRW hatte mir zwar Spaß gemacht,
aber die ganz speziellen Eigenarten einer hierarchisch und bürokratisch
strukturierten Behörde waren nicht mehr zum Aushalten.
Lesesofa: Das kann ich mir gut vorstellen. Wie kamst du auf
die Idee, eine Werbeagentur zu eröffnen?
TD: Wichtiger als alles andere war mein Wunsch, mein eigener
Herr zu sein und keine Vorgesetzten mehr zu haben. In den 1980ern hatte ich
nebenher einen kleinen Spieleladen, für den ich die Werbung selbst gemacht habe
(ohne Ahnung von der Materie Werbung zu haben). Dann habe ich Seminare dazu
besucht und viele Fachbücher gelesen. Dabei habe ich herausgefunden, wie viel
Analytik damit verbunden ist, gute Werbung zu machen. Das hat nichts mit
Manipulation zu tun, sondern man muss herausfinden, was die eigene Zielgruppe
wirklich will und darauf eingehen. Das ist gute Werbung und nichts anderes.
Wenn ich im Fernsehen TV-Spots sehe mit dem gebrüllten Ausruf „Ganz Deutschland
geht zu XY“, dann sträuben sich mir die Nackenhaare. Auf jeden Fall habe ich in
den 1990ern angefangen, Werbung für befreundete Geschäftsleute zu machen. Und
nachdem die sehr gut funktionierte und ich jahrelang beim LKA quasi auch
Werbung für die Kriminalprävention konzipiert und dabei von den beteiligten Agenturen
viel gelernt habe, war es Zeit, sich damit selbständig zu machen. Ich hatte
eine bestimmte, neuartige Idee für mittelständische Handwerksbetriebe, und die
hat viele Jahre sehr gut funktioniert. Jetzt bin ich in der Schriftstellerei
angekommen, und das fühlt sich anders an, als alles andere zuvor. Es fühlt sich
nach „Zuhause“ an. Alles hat ja bekanntlich seine Zeit.
Lesesofa: Das klingt super, und es freut mich für Dich. Wie
bist du auf die Idee gekommen, den Kopfkino-Verlag zu gründen?
TD: Angefangen habe ich einfach damit, nur meine eigenen
Geschichten anzubieten. Das tat ich allerdings von Anfang an unter dem Label
„Mein KopfKino“, weil es das für mich einfach treffend bezeichnet. Immerhin
sind es ja Geschichten in Spielfilmlänge, die als Vorlesegeschichten eine
alternative Freizeitbeschäftigung zu Kino oder Fernsehen sein sollen. Also lag
der Begriff „KopfKino“ mehr als nahe. Ende 2014 zeichnete sich dann schon ab,
dass auch andere Autoren die Vorteile dieses Nischenproduktes sahen und
ebenfalls „Erzählungen in Spielfilmlänge“ anbieten wollten. Und da es nicht
sinnvoll ist, dass jeder für sich alleine um Leser buhlt, war die Idee geboren,
das unter einem einheitlichen und wiedererkennbaren Label als Gemeinschaft zu
tun. Als Team! Dazu musste, auch aus rechtlichen Gründen, ein Verlag angemeldet
werden. So entstand also der KopfKino-Verlag.
Lesesofa: Erzähl uns doch bitte etwas über die Genres, die
der Verlag vermarktet.
TD:
Geschichten, die beim Lesen so lang wie ein Spielfilm sind, eignen sich für viele
verschiedene Anlässe, z.B. im Zug oder im Flugzeug, als Hörbuch bei einer
längeren Autofahrt, im Wartezimmer einer Praxis, als Gute-Nacht-Geschichte usw.
Aber vor allem eignen sie sich dazu, sich gegenseitig einen Spielfilm
vorzulesen, wenn der Fernseher ausbleiben soll oder nicht vorhanden ist, z.B.
am Abend eines Wandertages am Lagerfeuer, auf einem Segelboot im neuen Hafen
u.s.w. Und da liegt der Knackpunkt bezüglich der Genres. Ich möchte, dass sich
beispielsweise die Mitglieder einer Wandergruppe oder die Segler am Abend ihres
Urlaubstages gut unterhalten fühlen. Ich glaube nicht, dass Grusel, Horror oder
auch Erotik dafür geeignet sind. Deswegen gibt es das nicht im KopfKino-Verlag,
sondern nur jene Genres, die auch auf emotionale, lustige oder spannende Weise
für Unterhaltung sorgen. Zur Zeit findet man Mystery-Krimis, Science Fiction,
ein Hoffnung gebendes Gewissensdrama, Thriller, natürlich Liebesromanzen und
mit „Verstecktes Herz“ und „Liebe ist kein Gefühl“ auch zwei eher
anspruchsvolle Erzählungen.
Lesesofa:
"Liebe ist kein Gefühl" war mein erstes Buch und "Verstecktes
Herz" mein zweites Buch von dir, und du hast mich gleich mit deiner
Schreibweise und deinem Stil gefangen. Wie kam dir die Idee zu diesen
Geschichten? Und ganz allgemein, was inspiriert dich zu den Geschichten?
TD:
Ganz allgemein experimentiere ich gerne mit verschiedenen Aufgabenstellungen.
Im „Weichensteller“ wollte ich Zeitreisen ermöglichen, ohne an dem berühmten
Großvater-Paradoxon zu scheitern.
Im „Matrjoschka Code“ wollte ich verschiedene
Geschichten ineinander verschachteln und daraus auch anständig wieder heraus
kommen. Mit dem „Nobelpreis“ habe ich ein Palindrom mit einer ganzen Geschichte
geschrieben.
mir ein „literarischer“ Sprachstil gelingt. Tja, und „Liebe ist kein Gefühl“ ist ein Sonderfall.
Im
Jahr 1992 hatte ich ein sehr bewegendes Erlebnis, bei dem mir für einige
Sekunden ganz klar bewusst wurde, was die Liebe eigentlich ist. Mit dieser
Erkenntnis habe ich viele Jahre versucht, mehr zu recherchieren. Das mündete
dann 2006 in einem Aufsatz für eine Zeitschrift. Den habe ich dann 2014 in eine Road-Trip-Story gebettet. Herausgekommen ist „ Liebe ist kein Gefühl“, die Reise
von Nina, die sich von einer eher kaltherzigen zu einer liebenden Frau wandelt
und in Sean Brannon ihren absoluten Gegenpart findet. Mich faszinierte unter
anderem die gegenläufige Wellenbewegung der beiden und die Tatsache, dass Nina
anfangs das Verhalten von Pater Maximilian Kolbe im KZ Auschwitz nicht
versteht, am Ende aber dann selbst so handelt wie er. Solche sich schließenden
Kreise und Wellenbewegungen faszinieren mich. Deswegen ist es bei mir mit der
„Inspiration“ auch nicht wirklich weit her. Ich fühle so gut wie keine. Ich
erarbeite und konzipiere meine Geschichten vielmehr. Es ist also mehr
„Transpiration“ ...lol...
Daher
liegt auch immer so viel Zeit zwischen zwei Geschichten, obwohl es ja „nur“
Novellen sind. Für mich kommt es beim Schreiben aber nicht auf die hohe
Seitenzahl an, sondern darauf, dass das Ergebnis bewegt, berührt, überrascht,
oder dass einfach ein bestimmter konzeptioneller Kniff begeistert.
Lesesofa: Das gelingt dir sehr gut. Ich bin jedes Mal
fasziniert und begeistert.
Erzähl uns doch bitte etwas über dein neues Buch "Chase", das
ein Thriller ist.
TD: Ich hatte einfach schon länger Lust auf einen Thriller,
vielleicht so etwas in Richtung Dan Brown mit Geheimnissen, Rätsel lösen und
genügend Action. Da kam mir ein Artikel in einer Online Schreibwerkstatt gerade
recht, der dazu riet, seine Leser direkt auf der ersten Seite schon ins kalte
Wasser zu schmeißen, statt sich mit Einleitungen aufzuhalten. Die Charaktere
könne man später immer noch vorstellen. Das war dann meine nächste
Aufgabenstellung, die ich ausprobieren wollte. Ich entwickelte zunächst auch
nur die erste Szene, in der es direkt Action gibt. Mir gefiel die Idee, dass
der Held eine Frau rettet, die sich eine Zeit lang nicht mitteilen kann, was
denn überhaupt los sei und warum oder durch wen sie verfolgt wird. Das fand ich
eine spannende Ausgangslage, und aus der habe ich dann meinen „Dan Brown
Thriller“ weiterentwickelt. Dabei bin ich Anja Dietel sehr dankbar, die viele
tolle Ideen dazu beigesteuert hat. Es geht um ein rätselhaftes Gedicht, das die
Hamburger Unterwelt in Unruhe versetzt, um nicht zu sagen in Panik.
Lesesofa: Die Umsetzung ist dir sehr gut gelungen. Ich habe
den Thriller gelesen und bin begeistert. Meine Rezi zu "Chase" findet
ihr hier.
Morgen geht es mit dem zweiten Teil weiter. Ich hoffe ihr habt euch heute gut unterhalten.
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