Buchvorstellung: Der Herzschlag Connemaras - Deccys Vermächtnis

08:31

Heute habe ich die Buchvorstellung von "Der Herzschlag Connemaras - Deccys Vermächtnis" von Pia Recht. Es ist der zweite Teil zu "Der Herzschlag Connemaras: Kastanienrot" der auch schon im Kopfkino Verlag als Ebook, Taschenbuch und als Hörbuch erschienen ist.


Kurzbeschreibung:
Nachdem John Palfrey seine Londoner Stelle gekündigt hat, verbringt er mehr und mehr Zeit bei seiner irischen Freundin Siobhan. Aber der Unfalltod ihres Ex-Mannes Deccy wird ein Nachspiel haben, das ihre junge Liebe auf eine harte Bewährungsprobe stellt. Siobhan wird unter Druck gesetzt, ein Dokument aus Deccys Nachlass herauszugeben, von dem sie überhaupt nichts weiß. Die Situation verschärft sich, als beiden klar wird, dass sie zwischen die Fronten eines uralten Konflikts geraten sind. Es dauert nicht lange, und die Ereignisse fördern einen Konflikt auch zwischen John und Siobhan zutage, den sie zwischen sich nicht für möglich gehalten hätten: den zwischen Iren und Engländern.

Achtung: Das ist der zweite Teil der Connemara-Trilogie. Die Kenntnis des ersten Teils "Kastanienrot" ist hilfreich für das Verständnis.

Meinung:
Auch dieser zweite Teil von Pia Recht hat mich wieder in seinen Bann gezogen. Besonders toll finde ich ihre Liebe zum Detail, die man vor allem in der Beschreibung der Landschaft, aber auch in ihrer Beschreibung von Personen und Situationen.
John verbring mehr und mehr Zeit bei Siobhan in Irland, da er seinen alten Job gekündigt hat. Sie sind glücklich. Durch ein Dokument, das sich in Deccys Besitz befand wird ihre Liebe auf die Probe gestellt.
Pia Recht greift in diesem Teil einen uralten Konflikt auf, der noch immer besteht und macht dem Leser deutlich, wie tief die Gräben und Wunden zwischen den Engländern und den Iren sind. Die Spannung steigert sich auch in diesem Teil stetig und man kann als Leser das Buch gar nicht weg legen. Das Ende ist dann sehr plötzlich da und ich muss gestehen ich habe bei meinem Reader ein paar mal auf weiterblättern gedrückt, da ich nicht glauben konnte, dass es schon zu Ende ist.

Fazit:
Ein traumhaftes Buch für eine Auszeit in Irland. Besonders schön finde ich, dass am Ende die Liebe zweier Menschen zueinander, die durch den bestehende uralten Konflikt und die verschiedenen Sichtweisen auf die Dinge bedroht wird, siegt. Die Liebe ist mächtiger als dieser Konflikt.

Vielen Dank für dieses Lesevergnügen.

Leseprobe:
John Palfrey stand auf der obersten Stufe jener Treppe, die zu einer der Besucherplattformen an den Cliffs of Moher führten. Er sah auf das blaugrüne Meer hinaus, auf die tosenden Wellen und auf die weiße Gischt. Dann holte er tief Luft und schrie gegen den Wind: »Verfluchtes Irland!«
Er drehte sich um und grinste in sein eigenes Smartphone, mit dem Siobhan ihn filmte.
»Meintest du so was?«
Sie hatten bei der Ankunft an den berühmten Klippen noch gescherzt, dass John es nicht wagen würde, etwas Albernes zu tun. Etwas, bei dem ihn Siobhan filmen konnte, um es als Gruß an seine Londoner Freunde zu schicken.
Siobhan Keating kicherte und prüfte die Aufnahme. Dann fiel sie ihm um den Hals und küsste ihn. Mit einer Stimme, so hell und quietschend wie aus einem Zeichentrickfilm, sagte sie:
»Du bist ja so tapfer!«
Das brachte sie beide zum Lachen.
»Ich muss wohl tapfer sein, wenn ich es mit dir aushalte«, erwiderte er mit einer ähnlichen Stimme und einem übertriebenen Londoner Akzent. Ihr Gelächter musste bis hinüber zu den Aran Islands schallen, und es interessierte sie nicht im Geringsten, schräge Blicke von den anderen Besuchern zu ernten.
Siobhan war 34 und John zehn Jahre älter. Aber sie fühlten sich so frei und ausgelassen wie spielende Kinder. Einfach glücklich, zusammen zu sein und einander zu haben.
Umso gedrückter war die Stimmung immer dann, wenn John zurück nach London musste. Noch hielt er an seinem Appartement fest und versuchte, einen neuen Job zu finden. Aber sooft er es einrichten konnte, kam er nach Letterfrack und half Siobhan auf dem Reiterhof. An diesem Wochenende hatten sie keine Gäste. Daher machten sie einen Ausflug in die Burrens und zu den Cliffs of Moher. Es kam so selten vor, Zeit nur für sich zu haben. Siobhans Freundin Donna sah für zwei Tage nach den Tieren, und am Montag würde John die neuen Reitgäste vom Flughafen in Knock abholen.
Der Wind pfiff ihnen um die Ohren, aber der Himmel war strahlend blau, und es war ungewöhnlich heiß für irische Verhältnisse.

Nie hätte Siobhan erwartet, den Mann ihres Lebens ausgerechnet in einem Engländer zu finden, einem Anzugträger aus London, ruhig und souverän, manchmal ein wenig trocken und stets mit einem kleinen Hauch dieser typisch britischen Distinguiertheit. Auf den ersten Blick schien er überhaupt nicht zu ihr zu passen. Aber zum einen war John vollkommen verlässlich, zum anderen war er auch gewillt, sich auf sie und ihr Leben einzulassen und damit seinem eigenen eine andere Richtung, einen neuen Schwerpunkt zu geben. Niemand sah in ihm noch den Projektmanager, den man wider Willen ins irische Hinterland geschickt hatte; er war der fürsorgliche Mensch, der sich gewissenhaft um Hof und Tiere kümmerte und jene Arbeiten übernahm, die Siobhan ihm übertrug. Weil sie jetzt in der Hochsaison kaum Zeit für sich und ihre frische Beziehung hatten, genossen sie jede Stunde, die sie allein miteinander verbringen konnten.

John nahm sie in den Arm und küsste sie auf die Stirn. Dann folgten sie dem Touristenstrom bis zum O’Brien’s Tower, bei dem sie ein paar Selfies machten. Arm in Arm und Wange an Wange.
»Ich könnte noch ewig hier bleiben«, seufzte John.
»Keine Chance, Großer«, sagte sie. »Morgen kommen die neuen Gäste.«
Siobhan organisierte seit Jahren Wanderritte durch die Berge von Connemara, und das Sommergeschäft war gut angelaufen. John übernahm auch die Fahrten zum Flughafen Knock, um die neuen Gäste dort abzuholen oder sie am Ende ihres Urlaubs wieder dorthin zu bringen. Das brachte ihm stets in Erinnerung, wie er selbst das erste Mal in Knock gelandet war und damals von Siobhan abgeholt wurde. Wie er sich fast augenblicklich in sie verliebt hatte, in diese schöne Irin mit dem strahlenden Lächeln und den wilden, kastanienroten Haaren.

Auf der Rückfahrt durch die karge und felsige Landschaft der Burrens starrte Siobhan aus dem Seitenfenster und schwieg. John steuerte den alten Volkswagen vorsichtig, jederzeit musste er auf der engen Straße mit Radfahrern oder Schafen rechnen. Mit einem Seitenblick auf Siobhan streckte er die Hand aus und strich ihr sanft über die Wange.
»Es ist so ungerecht«, seufzte sie. »Immer, wenn ich in dieser Gegend bin, muss ich an die armen Seelen denken, die dort oben Stein auf Stein legen mussten. Diese Steinreihen stehen auch nach so langer Zeit noch. Das waren Zwangsarbeiten. Ohne jeden Sinn.«
Sie brach ab und drehte sich zu John. Sie wollte ihre ausgesprochenen Gedanken nicht als Vorwurf an ihn verstanden wissen. Denn es waren ja nun einmal die Engländer, die ihr Land so lange unterdrückt und ihre Vorfahren auf diese Weise gedemütigt und geknechtet hatten.
»Das ist zwar ewig her, aber es macht mich noch immer traurig und wütend, wenn ich hier bin.«
An der nächsten Einbuchtung fuhr John links ran. Wenn Siobhan in einer solchen Stimmung war, würde er das nicht ignorieren.
»Lass uns ein Stück hochsteigen«, schlug er vor. »Ich möchte es mir gerne ansehen.«

Auf dem kahlen Felsen mit nur dürftigem Grasbewuchs und jeder Menge Geröll gab es kaum Schafe, geschweige denn Nutzflächen. Demzufolge gab es auch keine Zäune, die sie hätten überwinden müssen. Von oben bot sich ihnen eine wunderbare Aussicht auf die Umgebung, auf das Meer im Westen und auf die grünen und bewaldeten Landstriche in den tiefer liegenden Ebenen.
Siobhan setzte sich auf eine große aus dem Boden gebrochene Steinplatte und sah sich um. Während sie unter der Woche nur Jeans oder Reithosen trug, hatte sie an diesem Wochenende die Gelegenheit genutzt, sich etwas eleganter zu kleiden. Obwohl das Wetter in Irland, insbesondere hier an der Atlantikküste, nie beständig war, hatte sie ein luftiges Sommerkleid mitgenommen, das sie nun an diesem heißen Tag trug. Im rauen Wind schlug ihr Rock allerdings hoch, sie musste lachen, und ihre gedrückte Stimmung schwand.
»Ich war mit Donna einige Male hier, aber das ist auch schon lange her. Wir sind damals oft nach Doolin gefahren, um ein paar Musiker zu treffen.«
Sie lachte wieder und verdrehte die Augen.
»Unsere wilde Groupie-Zeit.«
Für John klang es seltsam, dass traditionelle irische Musiker so etwas wie Groupies haben konnten. Für ihn sahen die meisten aus wie die alten Herren von den Dubliners oder wie eine übergewichtige Version von Gandalf. Nur ohne Hut. Er saß auf einer jener Steinreihen, von denen Siobhan im Auto gesprochen hatte. Sie sah ihn an und legte ein verschmitztes Lächeln auf.
»Sieht so aus, als hätten deine Leute damals doch einen Grund gehabt, uns diese Steine aufeinander türmen zu lassen. So können sie sich heute als Touristen darauf ausruhen.«
John ging darüber hinweg. Obwohl ihre Worte wie eine Neckerei klangen, wusste er aus früheren Diskussionen, dass Siobhan bei diesem Thema eigentlich keinen Spaß verstand.

Zurück auf der Farm übernahm John die Versorgung der Pferde. Sie kamen abends für einige Stunden in den Stall, um gefüttert zu werden. Danach brachte er sie wieder auf die Weide. John würde sich auch in Zukunft nicht dazu überreden lassen, das Reiten zu lernen, aber er hatte nichts dagegen, sich vom Boden aus um die Vierbeiner zu kümmern. Sie respektierten ihn, und er ging freundschaftlich mit ihnen um.
Das musste genügen.
Für mit Pferden unerfahrene Touristen hatte Siobhan hauptsächlich Irish Cobs und Tinker. Die waren gutmütig und gelassen. Ideal für Anfänger.
Siobhan bereitete die Zimmer für die Gäste vor, die am nächsten Morgen kommen würden. Jetzt in der Hochsaison half ihr eine Putzfrau dabei.
»Aga!«, rief sie, »legst du noch Handtücher auf die Zwei und die Drei?«
Siobhan vermietete fünf Doppelzimmer. Für diese gab es jedoch nur ein großes Badezimmer am Ende des Flures, das sich die Gäste teilen mussten.
Agnieszka war vor einem halben Jahr aus Polen gekommen und machte ihre Sache so gut, dass Siobhan nicht mehr auf ihre Mitarbeit verzichten wollte. Nach Saisonende würde Aga in einem Hotel anfangen und so hoffentlich verfügbar bleiben.
Das Telefon klingelte und Siobhan nahm ab.
»Rory«, rief sie, während sie durch das Küchenfenster John über den Hof gehen sah.
»Alles in Ordnung bei dir?«
Es kam selten vor, dass Rory anrief. Gewöhnlich kam er einfach vorbei und lud sich selbst auf einen Kaffee oder Tee ein. Meist bat er Siobhan dann, ihn auf den Friedhof zu begleiten. Er ging nicht gern alleine an das Grab seiner Frau und seines Sohnes Deccy.
Rorys Stimme klang belegt, aber seine Sätze waren seltsam emotionslos.
»In meine Wohnung wurde eingebrochen, während ich arbeiten war. Komm mal eben rüber und bring den Engländer mit.«

»Wer sollte denn bei ihm einbrechen?«, fragte John. Dasselbe hatte Siobhan auch Rory gefragt, aber dieser antwortete nur, sie mögen sich das selbst ansehen, wenn sie Zeit fänden.
An der Tür waren keine Einbruchsspuren zu erkennen. Auch Flur und Küche sahen ganz normal aus. Rory deutete mit dem Kinn zum Gästezimmer.
»Ich hab es schon gemeldet«, sagte er. »Die Kollegen kommen gleich. Also nichts anfassen.«
Die Tür zum Gästezimmer stand halb offen, und John und Siobhan warfen einen Blick hinein. Das Zimmer sah chaotisch aus. Die Matratze war vom Bett gezogen und aufgeschlitzt worden. Die Inhalte von Kleiderschrank und Schreibtisch lagen auf dem Boden verstreut. Siobhan schluckte und drehte sich zu Rory herum.
»Was ist denn hier passiert?«, flüsterte sie.
Sie wusste, weshalb Rory sie gerufen hatte. Es waren Deccys Sachen, die Rory hier lagerte, weil er sich nicht davon trennen konnte. Bücher, Unterlagen, Kleidung, Schuhe, Schallplatten, Videokassetten, Fotoalben und vieles mehr. Ein Museum väterlicher Trauer. Jetzt schauten sie auf ein großes, zerwühltes Durcheinander. Bücher, in die falsche Richtung geknickt, lagen herum wie tote Vögel.
»Hier hat jemand etwas gesucht«, meinte Rory nüchtern. »Das war kein normaler Einbruch.«
»Wie sehen die anderen Räume aus?«, fragte John.
»Darin haben sie nicht so sehr gewütet. Und soweit ich das bisher beurteilen kann, auch nichts mitgenommen. Es ging nicht um Geld oder Wertsachen. Sie suchten etwas Bestimmtes.«

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